In der cluster-randomisierten, multizentrischen Studie JointConEval haben wir das Konzept der teilhabefördernden, kontraktursensiblen Pflege (PECAN) zur Verbesserung der Aktivität und sozialen Teilhabe von Pflegeheimbewohner*innen von August 2018 bis Januar 2020 hinsichtlich seiner Wirksamkeit überprüft.
Durchführung
35 Pflegeheime aus den Regionen Halle (Saale)/Leipzig und Südostbayern wurden hierfür als Praxispartner gewonnen und per Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt. In der ersten Gruppe (Interventionsgruppe) wurde das PECAN-Konzept eingeführt und für 10 Monate umgesetzt. Die zweite Gruppe diente als Kontrollgruppe und erhielt eine Informationsveranstaltung zum Thema Kontrakturen und Teilhabe, ansonsten sollte die übliche Versorgung weiter fortgeführt werden (optimierte Standardversorgung).
Die Implementierung des PECAN-Konzepts erfolgte über Pflegefachkräfte und Ergotherapeut*innen, die als Multiplikator*innen das Konzept in ihrer Einrichtung bekannt gemacht und umgesetzt haben. Die ausgewählten Mitarbeiter*innen wurden in einer eintägigen Schulung auf ihre Multiplikator*innenrolle und die Aufgaben im Rahmen des PECAN-Konzepts vorbereitet. Zusätzlich wurde durch das Studienteam ein Peer Mentoring angeboten, bestehend aus einem Beratungsbesuch vor Ort und einer fortlaufenden telefonischen Beratung.
Der Einfluss des PECAN-Konzepts auf die Aktivität und soziale Teilhabe wurde anhand der PaArticular-Skala zu drei Messzeitpunkten ermittelt: zu Beginn, nach sechs und nach zwölf Monaten. Als Nebenzielgröße wurde die Lebensqualität mit dem EQ-5D erhoben. Dazu wurden die Teilnehmenden bzw. die Bezugspflegekräfte in standardisierten Interviews befragt. Eine umfangreiche Prozessevaluation zur Identifikation von Förderfaktoren und Barrieren der Umsetzung wurde ergänzend durchgeführt. Hierzu wurden persönliche Interviews, Fokusgruppen sowie standardisierte schriftliche Befragungen mit Multiplikator*innen, Pflegenden, Pflegeheimleitung, Mitarbeiter*innen der sozialen Betreuung, Angehörigen und den teilnehmenden Bewohner*innen durchgeführt.
Ergebnisse
424 (75,4 %) der 562 eingeschlossenen Bewohner*innen haben die Studie wie vorgesehen abgeschlossen. Diese waren im Mittel 85,4 Jahre alt, zu 73 % weiblich und 48 % hatten Kontrakturen in der oberen und unteren Extremität. Knapp 35 % der Bewohner*innen waren kognitiv beeinträchtigt, so dass an ihrer Stelle die Bezugspflegenden befragt wurden. Die Gründe für das vorzeitige Studienende waren Versterben (n=124), Auszug aus dem Heim (n=12) sowie Rückzug der Einwilligung (n=2).
In die Ergebnisanalyse konnten 301 Bewohner*innen der Interventionsgruppe und 259 Bewohner*innen der Kontrollgruppe eingeschlossen werden. Die mittlere Veränderung auf der Aktivitätsskala betrug ‑1,47 Punkte (SD 12,2) in der Interventionsgruppe und 0,196 Punkte (SD 12,5) in der Kontrollgruppe sowie ‑3,87 Punkte (SD 19,7) vs. ‑3,18 Punkte (SD 20,8) auf der Partizipationsskala. Die mittleren Unterschiede der Veränderungen zwischen den Gruppen waren statistisch nicht signifikant: Aktivitätsskala: ‑1,72 (97,5% CI ‑6,05 bis 2,61); Partizipationsskala: ‑1,24 (97,5 % KI ‑7,02 bis 4,45). Auch bei den sekundären Endpunkten (Lebensqualität, Stürze und Sturzverletzungen) gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
Implementierung und Umsetzung der Intervention
Die durchgeführte Schulung sowie die Unterstützungsmaßnahmen bei der Implementierung wurden von den Beteiligten positiv bewertet. Insbesondere das Peer-Mentoring (Beratung durch Expert*innen vor Ort; Telefonate mit dem Studienteam) wurde als sehr wertvoll und hilfreich beurteilt. In den Einrichtungen der Interventionsgruppe konnten im Studienverlauf 182 beratende Telefonate durchgeführt werden. Davon entfielen 158 auf Besprechungen zu individuellen Bewohnerfällen und 24 auf Gespräche zu Änderungsbedarfen auf Einrichtungsebene. Zusätzlich gab es acht Vor-Ort-Beratungen durch das Studienteam. Die Zahl der durchgeführten Beratungen variierte dabei stark und lag zwischen 3 und 18 Gesprächen pro Einrichtung.
Bei insgesamt 182 (60,5%) von 301 teilnehmenden Bewohner*innen in der Interventionsgruppe konnte die Intervention teilweise (n=51) bzw. vollständig (n=131) umgesetzt werden. Dabei kristallisierten sich ein hohes Engagement seitens der Pflegenden und der Pflegeheimleitung sowie der Einbezug aller beteiligten Berufsgruppen und der Angehörigen als wichtige Förderfaktoren für die Umsetzung des PECAN-Konzeptes heraus. Ungünstige organisatorische Abläufe sowie Zeit- und Personalmangel stellen häufige Umsetzungsbarrieren dar.